| Comos  Tagebuch oder Brüssel muss warten   Tagebuch,  Refugium, Oase für die Seele, Auffangbecken für Gedanken und Erinnerungen an  Erlebtes das festgehalten werden soll um nicht verloren zu gehen. Tagebücher  sind geduldige Zuhörer und oft die einzigen Vertrauten.So  ist es mit Tagebüchern und so verhält es sich auch mit Comos Tagebuch.
 Como?  „Einfach nur Como. Das ist mein Spitzname“, sagt die junge Österreicherin -  und: „Ja, es hat etwas mit dieser wunderbaren Stadt in Italien zu tun. Es ist  dort so unglaublich schön, der Lago di Como ist für mich definitiv der Ort zur  Selbstfindung“, schwärmt sie. Aber da gibt es auch noch die nie so wirklich  offen geäußerte Vermutung, dass ihr Leben auch in dieser Stadt in der Lombardei  seinen Anfang genommen hat, und ihr Lächeln schiebt weiteren lästigen Fragen  einen Riegel vor.
 Como  lebt in der Steiermark. Geboren in Graz, aufgewachsen im Westen des Landes,  dort wo die weißen Pferde, die Lipizzaner, ihr Zuhause haben. Bergbau, Glaskunst,  Natur – nach Italien ist es eine knappe Stunde mit dem Auto. Ein  Dreifrauen-Haus in Bärnbach. Oma, Mutter, Tochter und ein Kater, „wobei dieser  in der weiblich dominierten Idylle nicht lange durchhielt. Nach einem Jahr warf  er sich in der kaum befahrenen 30er Zone vor ein Auto, das war einfach kein  Leben für einen Macho“, sagt Como schmunzelnd‚ „auch für mich wurde die  Kleinstadt immer kleiner, da allein-erziehende Mütter oft ganz schlecht im  Loslassen sind, und ich ja gewissermaßen zwei davon hatte.“
 Mit  16 zieht Como in die Landeshauptstadt Graz. Die erste eigene Wohnung. Schule,  später Studium: Englisch, Französisch, Italienisch, Rechtswissenschaften,  Politik, Wirtschaft. Die junge Frau mit dem charakteristischen Lockenkopf geht  konsequent ihren Weg. Der Wunsch ist die Welt zu verändern, als Aktivistin bei  Greenpeace oder in der Politik für das sorgen, was wichtig ist: Auf diese,  unsere Welt gut aufpassen. Ihr wichtigster Begleiter dabei ist seit frühester  Jugend das Tagebuch. Comos Tagebuch hat schwarze und weiße Tasten.
 Musik  war von Anfang an Teil des Lebens. Opa war Komponist, und da seine  Enkelin diese Musikalität geerbt hatte, lasteten schon sehr früh große  Erwartungen auf dem Kind.  Schon mit vier Jahren stand sie zum ersten Mal  auf der Bühne; in der Musikschule fühlte sie sich mehr eingeschränkt, als  kreativ gefordert. „Als ich 13 war habe ich mich schließlich geweigert vor  anderen Menschen Musik zu machen“, erzählt sie und flüchtete mit ihrer Musik in  die kreative Isolation. Songs entstanden am Piano, meistens spät in der Nacht,  wenn alle schliefen. Gedanken und Erlebnisse, die aufgearbeitet wurden, flossen  in Textfragmente und so entstand über all die vielen Jahre Comos „Music Diary“.
 Sie  schreibt keine Lieder, wie sie sagt, sondern sie passieren einfach. „Ich setze  mich ans Klavier und spiele was mir in den Sinn kommt. So entsteht eine grobe  Skizze, die dann reifen muss, bis sich die Lücken plötzlich wie von selbst  füllen“, sagt Como, die ihre Lieder bislang für sich behielt, denn ihre Songs waren  gut verborgene Eintragungen in ihr Tagebuch. „Keiner meiner Songs sollte jemals  veröffentlicht werden“, sagt sie, ihre Musik war ihr streng gehütetes  Geheimnis. „Eine verborgene Seite von mir, die ich mit niemandem teilen  wollte“, aber Qualität findet immer ihren Weg und der schlängelt sich manchmal  wundersam durch die Zeit. „Einmal habe ich gehört, wie mein Nachbar auf der  Gitarre eines meiner Lieder gespielt hat. Er muss mir wohl spät nachts beim  Spielen zugehört haben und als ich da mein Lied durch die Wand hörte, bekam ich  plötzlich Panik. Ich war immer darauf bedacht gewesen die Lieder nicht laufen  zu lassen und jetzt wanderte da eines durch die Wand, hinaus aus meinem Leben!“  Como spielte ihre Songs in Demo-Qualität auf eine CD, hinterlegte sie bei einem  Copyright-Anwalt. „Nicht weil ich dem Nachbarn Böses unterstellte, im  Gegenteil: Das sollte damals wohl so was wie ein Kompliment sein, aber man weiß  ja nie, wer sonst noch zuhört“, sagt sie. Der Anwalt gab ihr einen Zettel mit  einer Telefonnummer und schrieb den Namen Andi Fabianek daneben. Produzent,  Tonstudiobesitzer. „Ein Profi“, sagte er‚ „spiel ihm das vor“. Como nahm die CD  und stellte sich bei Fabianek vor: „Ich habe nur rudimentäre Klavierkenntnisse,  keine Gesangsausbildung, kann keine Noten lesen und habe noch nie ein Tonstudio  von innen gesehen. Da ich scheinbar eine von vielen war, die ihm eine Demo-CD  in die Hand drückten, hat er mir erst mal den Kopf gewaschen und erklärt wie  hart das Musik-Business ist. Aber im Unterschied zu den Anderen erklärte ich  ihm, dass ich eigentlich nicht auf die Bühne wollte. Ich wollte einfach nur  wissen, ob meine Musik auch vor einem Profi standhielt“, erinnert sie sich. Der  Rest ist Geschichte und die ist nun voll in ihr Leben gekracht. „Er hat mir Mut  gemacht meine Songs anderen vorzuspielen und zu sehen, wie ich mit meiner Musik  andere Menschen berühren konnte, hat mir geholfen einen Schritt vor den anderen  zu setzen.“
 Das  Studium war in der Zielgeraden und geplant hatte sie die Diplomaten-Akademie  und eine berufliche Zukunft im Schoß der Europäischen Union. Aber vorerst muss  sich Brüssel hinten anstellen, denn Comos Tagebuch hat sich selbständig  gemacht. Diesmal nicht nur durch die Wand. Von Graz reiste es nach Teufenbach  zu dem dort lebenden Musikmanager Klaus Bartelmuss, der die Songwriterin unter  seine Fittiche nahm. „Klaus hat mir ermöglicht meine Ideen mit absoluten Profis  wie Mathias Roska in den Mitte Studios Berlin zu realisieren. Das war eine ganz  neue Welt für mich, ich denke nicht viele Musiker bekommen so eine Chance“. So  wie sich die Dinge darstellen, muss Brüssel noch viel länger warten.
 „Music  Diary“: Das erste Album ist ein Auszug dieses Tagebuchs. Viele Lieder behält  sie jedoch bis heute nur für sich, „sie sind einfach zu tiefgreifend, zu persönlich“,  sagt sie. Como und ihre Lieder blühten bisher im Verborgenen, haben keine lange  Geschichte auf zahlreichen Live-Bühnen hinter sich, wurden nicht vielfach am  lebenden Objekt getestet. So wie das Wirken der Künstlerin, der Songwriterin  Como, die diese Musik nur für sich erschaffen hat. So wohltuend ist es nun  diese so gut wie jungfräulichen Lieder zu hören. Es ist aber auch Musik, die  vom Zuhörer entdeckt werden muss. Stimme, Texte, Kompositionen - das ist kein  Fast-Food sondern Seele, Persönlichkeit, Ausdruck. Es ist Comos Tagebuch, in  das sie zum ersten Mal fremden Blicken den Zugang gewährt.
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